Reisen in die Stille

Seit einer Weile bin ich immer wieder unterwegs in ländlichen Regionen. Fasziniert, versunken in andere Zeiten, auf Zehenspitzen und bisweilen traurig stöbere ich in alten Häusern. Mit ihren Bewohnern verschwinden so viele Lebensspuren, Kultur und Geschichte(n) gehen unwiderbringlich und oft unbemerkt verloren. Es sind die kleinen Funde in den verfallenen, verlassenen Gebäuden, die vom einstigen Leben erzählen, dass mir manchmal der Atem stockt und ich mich als Störenfried der Stille fühle. Zufallsfunde in Staub und zwischen Spinnweben, nur entdeckt, weil ein Lichtstreifen durch einen geöffneten Fensterladen das Metall aufblinken ließ. Wessen Hand mag diesen Ring getragen haben? Wer ist das Paar in dem kleinen Medaillon? Hing es an feiner Goldkette um den Hals einer jungen Frau? Wessen Kleid schmückte die zierliche Brosche?

Die verfallende Architektur im Sinne von »urban decay« und »Schönheit des Verfalls« interessiert mich weniger. Behutsam Schränke, Kisten und Kästen zu öffnen, ohne Zeitdruck und Einschränkung, mit dem Vertrauen der Angehörigen, das ist spannend, fesselt und macht manchmal melancholisch. Die Hinterlassenschaften der Verstorbenen erzählen teils heitere, bisweilen tieftraurige und tragische Familiengeschichten. Aus den gefundenen Fragmenten einem vergangenen Leben hinterherzuspüren, das sind immer wieder sehr persönliche Entdeckungsreisen. Sie entstehen als freies Langzeitprojekt, teilweise auch im Auftrag von Hinterbliebenen. 

PS: Grundsätzlich betrete ich die Häuser und Wohnungen nur mit Wissen und Zustimmung der Erben, Verwalter oder Besitzer, gebe die Adressen nicht weiter.