Es sind die kleinen Dinge am Wegesrand, die meine Aufmerksamkeit fesseln, mich neugierig machen auf Menschen und ihre Geschichte und mich danach fragen lassen. Die Schrift auf dem Türstock des kleinen Cafés: »Ab hier bitte lächeln!«, garniert mit zwei Smilies. Babaks Idee ist eine Erinnerung daran, dass Freundlichkeit das Leben schöner und bunter macht. Daran, dass ein Lächeln Türen öffnen kann – und Herzen. Begegnungen im Alltag, unverhoffte Verbindungen und Gespräche…
So wie mit den betagten Nachbarn, denen Babak ab und zu Kaffee und Gebäck vorbeibringt, wenn ihre Kräfte nicht mehr ausreichen, den kurzen Weg in sein Café zurückzulegen. Oder denen er zur selbstgemachten Limonade mit Safran und Zitrone ein Tellerchen mit Süßigkeiten serviert. Die Rezepte dafür kennt er von seinen Eltern und Großeltern, aus dem Iran, wo seine Wurzeln sind.
Eine wunderschöne Begegnung auch mit Gosia, die vor vielen Jahren aus Polen nach Deutschland kam. Wie überraschend klein die Welt manchmal ist, dachte ich, als ich sie fragte, aus welcher Region sie stammt: Es ist die Gegend um Plathe im früheren Pommern, das seit dem Zweiten Weltkrieg zu Polen gehört und Teil des großen Naturschutzgebiets an der Oder ist. Die »Kirchspiele« (eine frühere Bezeichnung für Gemeinden) Kutzer und Bandikow sind gleich um die Ecke, in den Kirchenbüchern dort finden sich Hinweise auf Vorfahren von mir. Wo vor dem Krieg das Gut Augusthof stand, ist heute eine von Grün überwucherte Fläche. Die ehemaligen Straßen und Wege rund um das Gehöft sind auf den Satellitenbildern noch gut erkennbar im Gelände, in direkter Nähe verläuft dort eine Autobahn. Meine preußische Großmutter verbrachte als junges Mädchen so manche Sommer- und Herbstferien im Forsthaus, mit Tante Minna und Tante Martha, mit ihren Söhnen, dem Dackel und dem Förster-Onkel. Die Geschichte vom erlegten Wildschwein mit den Schrotkörnern im Schinken gehört zu den heiteren Familienanekdoten: Angesichts der treffsicher erlegten kapitalen Wildsau hatte meine Großmutter dennoch Befürchtungen, das Tier könne hinterrücks wieder aufwachen. Und legte mit einer Ladung Schrot nach.
Das Gespräch mit dem freundlichen älteren Herrn auf der Höhe bei Ober-Olm. Spazierend er, radelnd ich – und beide blieben wir an der gleichen Stelle stehen: Klares Wetter und weite Sicht, bis zum Donnersberg und zum Pfälzer Wald. »Hach…« seufzten wir alle beide. Lächelten uns an, plauderten ein wenig. Über die Gegend, über Rheinhessen, die Liebe zur Weite, zur Region. Über den heimlichen Wunsch, man hätte Flügel und könne sich hoch hinaufschwingen in den blauen Himmel, zwischen die Feldlerchen und windzerzupften Wölkchen, die wie Federn vorbei wehen und den nahen Herbst ankündigen. Über Abschiede, vom Sommer, von Mauerseglern, die schon eine Weile fast unbemerkt ins Winterquartier gezogen sind, von den Schwalben und Störchen, die sich gerade sammeln, zur Abreise bereit. Über den plötzlich so anderen Duft von Feldern und Wiesen, nach Rauch und Stoppelacker, nach Regen und gärendem Fallobst unter den Obstbäumen. Herbstahnen in Licht und Luft, der Sommer geht zu Ende.
Sich einlassen auf Menschen und Momente unterwegs, das ist wunderbar, Inspiration, unverhofftes Geschenk und immer auch eine spannende Entdeckungsreise zu anderen – und sich selbst. Heimat beginnt im Herzen und im Kopf.
Xenia Miedreich
17 Sep. 2025Liebe Heike,
Du solltest Bücher schreiben! 🙂 Deine Texte kann man fühlen, riechen und schmecken.
Sehr schön. Ganz viele liebe Grüße
Xenia
Heike_Rost
17 Sep. 2025Lieben Dank – ich arbeite dran, an der Sache mit den Büchern. <3 Liebe Grüße zurück! 🙂