Entspannte Atmosphäre an bezaubernden Orten, Gespräche mit den Musikern vor und nach dem Konzert, Bilder im Kopf und in der Kamera: Der Charme kleiner Konzerte liegt in der Inspiration, in der Begegnung mit Musik, mit Details und grandiosen Künstlern wie Daniel Stelter und Lulo Reinhardt. Namen von Familienmitgliedern auf der Gitarre, sie begleiten unterwegs Herz und Seele wie die Familienflagge der Sinti auf dem Daumennagel. Ein abgeschlepptes Auto in Belleville, Paris, daraus wird ein Stück, Hotel de Paris, wunderbar melancholisch – und schon werden die Erinnerungen an eigene Zeiten zwischen Mainz und Paris lebendig, zwischen Belleville und Barbès, in den kleinen Läden mit so unfassbar vielfältigem Innenleben. Gewürze, indische Saris, Geschirr aus Afrika und China, Wax Cotton bei Waris, Stoffballen unterhalb von Montmartre, Couscous und höllenscharfe Harissa von Tatie Fatoumata, die Hammelköpfe vom Grill nebenan bei Osmane. Und überall: Musik aus aller Herren Länder entlang des Boulevards Rochechouart, um den Gare de l’Est und im chinesisch-vietnamesischen Viertel in Belleville. 

Ein geparktes Auto, das zumindest mir nicht zu Musik wurde, aber zur amüsanten Anekdote: Der Versuch, meinen ziemlich verlotterten Polo zu knacken, wurde von den Nachbarn im Viertel vereitelt; sie wussten, dass ich dort öfter unterwegs war, haben sich die Übeltäter vorgeknöpft, vermöbelt und bei der örtlichen Polizei abgeliefert. Es hat eine Weile gedauert, bis ich dort akzeptiert wurde; schön war es immer, bunt und lebendig und überhaupt viel weniger bedrohlich als der seinerzeitige Ruf des Quartiers Barbès mit seinem kleinen Lädchen und Restaurants, dem großen afrikanischen Markt voller exotischer Farben, Gerüche, Gemüsesorten und Obst. Die Musik war dort immer dabei, aus jeder Tür ein anderer Klang, Begegnungen mit vielen Musikern wie Cheb Mami, Oumou Sangare, dem Orchestre National de Barbès, mit Omar Sissoko,  Oum Kaltsoum, ein einzigartiger, pulsierender Mix unterschiedlicher Stilrichtungen, Kulturen und Musikinstrumenten. 

Auch eine Mandoline kommt in meinen Pariser Erinnerungen vor, eine, wie sie Daniel Stelter spielt und augenzwinkernd erzählt, in einer Konzertkritik über den Satz »Harfe spielt Daniel Stelter auch…« zu stolpern, weil dieses Instrument, anderswo weit verbreitet, hierzulande offenbar weniger bekannt oder möglicherweise aus der Mode geraten ist. Die Funken sprühen in den grauen Zellen, meine Gedanken sind auf Reisen, hierhin und dorthin – und die Bilder entstehen parallel dazu, getragen von Klängen, erinnerten Momenten und dem verzauberten Innenhof des »Hier und Jetzt«, einem der Veranstaltungsorte von GonsKultur e.V. . Sie sind ein wenig Rückkehr zu fotografischen Wurzeln, diese Bilder: Zu den Zeiten, als ich noch gerne und viel Konzerte fotografierte. Damals, als Künstlermanagement und -agenturen noch nicht auf unsägliche Ideen von Knebelverträgen, rigiden Beschränkungen und Zutrittsverboten für Fotografen kamen; damals, als die Atmosphäre entspannter war als heute, als Bilder während Soundchecks, heiteres Plaudern mit Künstlern und … Begegnung in kleinerem Rahmen möglich war, inspirierend und bereichernd in jeder Hinsicht. 

Auf dem Heimweg, zwischen Gonsbach, Sonnenblumenfeldern, Wiesen und Stoppeläckern ist Raum – für Gedanken, Fröhlichkeit, Freude und eine Prise Melancholie. Glück ist in den kleinen Dingen. 

(Links zu den Websites von Daniel Stelter und Lulo Reinhardt, zum »Hier und Jetzt« und GonsKultur e.V. mit weiteren Infos im Text.)

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